Beiß in die Hand, die dich füttert

Kennt ihr die VG Media Gesellschaft? Nein? Nun, diese Gesellschaft ist ein Zusammenschluss vieler großer Verlage wie z.B. der BILD, Bunte, HAZ, etc. Kurz: All die großen Zeitungen, welche man meistens aus den Zeiten der Buchstaben auf Papier kennt und die wohl oder übel auch ins Internet mussten, um nicht ganz von der BILDfläche zu verschwinden.

Um nun auch noch Leser zu bekommen, müssen die Leute ja irgendwie erfahren, dass es die Seiten gibt. Da kann man dann entweder Werbung in den Zeitschriften und Zeitungen selbst machen, was nicht gerade sehr viel bringt, da die Generation Zeitung mit der Generation Internet nicht viel zu tun hat, oder man wendet sich an die Suchmaschine seines Vertrauens, welche einen dann in den Nachrichtenindex aufnimmt. Da Google in Deutschland die mit Abstand stärkste Suchmaschine ist, ließ man sich dort natürlich auch gerne eintragen.

Jetzt ist es nur so, dass VG Media gemerkt hat, dass sie nicht ganz auf dem Stand der Zeit sind und die Leser wegrennen/sterben. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Einen Sündenbock suchen oder den Inhalt auf den Stand der Zeit bringen und vielleicht mal ein wenig besser recherchieren und nicht als Quelle nur “Internet” oder “YouTube” angeben. Man entschied sich für den Weg des geringsten Widerstandes (so dachte man) und nahm den Sündenbock. Da ist es natürlich naheliegend die einzigen Websites zu nehmen, die sich für einen interessieren und fleißig Zitate der Artikel präsentierten: die Suchmaschinen.

Kurz (un)überlegt beschloss man also ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger zu etablieren. Mit genug Unwissenheit der CDU und genug Geld von VG Media und co. ließ sich das dann auch zum 1. August 2013 durchtreten. Darin heißt es, dass jede Website, welche Bilder oder Zitate aus einem Artikel nimmt, vorher um Erlaubnis fragen müsse. Nett wie die Medien sind, darf man das dann natürlich auch - gegen eine Danksagung in Form von Geld. Kurz gesagt: Wenn eine Suchmaschine ein Thumbnail (Bild) oder ein Snippet (Zitat) eines Artikels der VG Media-Gruppe in den Suchergebnissen oder unter der News-Section anzeigt, muss Geld an die entsprechenden Verlage fließen.

Schwachsinn, denken sich die Suchmaschinen. Im Index ist man schließlich freiwillig, man profitiert ja deutlich durch die Klicks. Allein durch Google gehen jeden Monat über eine halbe Milliarde Klicks an deutsche Nachrichtenportale. Wer die nicht haben möchte, kann sich ja aus dem Index der Suchmaschinen austragen, oder nicht? Ja, das finden die Suchmaschinen auch. Web.de, T-Online, GMX und co. haben prompt reagiert und die betroffenen Seiten einfach komplett entfernt. Sie wollten es ja so.

tonlinesuche

Google hingegen zeigte sich kulant und kündigte an ab sofort nur noch die Überschrift und den Link zum Beitrag in den News-Ergebnissen anzuzeigen. Man möchte die Seiten ja nicht komplett zensieren. Die Verlage finden das alles natürlich “höchst problematisch“, es herrscht ja eindeutig eine Wettbewerbsverzerrung aufgrund des großen Monopols, das Google hat. Es ist einfach unerhört Seiten zu beschneiden, welche auf ihr gutes Recht plädieren. Man hat ja gar nicht die Möglichkeit ohne Google zu überleben.

Auf gut Deutsch heißt das:

Wir haben die Hand gebissen, die uns füttert, und jetzt sind wir traurig, weil wir nicht mehr genug zum Essen bekommen.
Der VG Media Gesellschaft hat die ganze Aktion vom bösen Mr. Google so sehr nicht gefallen, dass sie Google gebeten haben mit der Sanktion noch 14 Tage zu warten, bevor sie angewendet wird. Das haben sie dann auch gemacht. Was die armen Verlage jetzt vor haben, kann nur spekuliert werden. Ich bin aber auf jeden Fall gespannt.

TL;DR: VG Media möchte Geld für die kostenlosen Anzeigen durch Google, Google entfernt die Anzeigen, VG Media will das nicht und weint. Stay tuned.

Update 16. Oktober 2014: So, die VG Media-Gruppe hat sich geäußert und zugegeben, dass deren Idee eher doch nicht so hundertprozentig durchdacht war. behauptet, dass Google das Monopol ausnutzt und die Verlage keine Chance mehr hätten. Insofern möchte man wohl klein beigeben und nicht auf das eigens durchgedrückte Leistungsschutzrecht bestehen. Allerdings nur bei Google. Alle anderen werden in Zukunft trotzdem zahlen dürfen.

Update 05. November 2014: Huch, damit hat niemand gerechnet. Der Google News-Traffic bricht um 80% ein. Die arme VG Media-Gruppe.

Update 10. November 2014: VG Media gibt nicht auf und versucht nun das ganze vor Gericht zu ziehen. Aus dem offiziellen Bericht gefällt mir außerdem folgendes Zitat sehr gut: “Den Vogel der Fehlinterpretation hat wieder einmal der im Vogelabschießen bestens geübte Stefan Niggemeier abgeschossen. Seine steile These: Die VG Media diskriminiert die kleineren Suchmaschinen wie 1&1 und Telekom, weil sie ihnen keine Gratislizenzen einräumt.”

Update 11. November 2014: Wer zu faul zum lesen ist, kann sich auch gerne mein Video zu dem Thema angucken:

Update 11. Juli 2016: Es ist nun mittlerweile zwei Jahre her, seit die VG Media-Gruppe den Streit darum mehr oder weniger aufgegeben hat. Trotzdem muss man immer wieder gegen Klagen bezüglich des Leistungsschutzrechts kämpfen und weiter Gelder ausgeben. Das alles sollte sich daher also schon lohnen, oder? Fehlanzeige. Seit 2013 hat man ganze 714.540 Euro mit dem tollen, neuen Recht verdient. Und ausgegeben? Nun… so um die 3,3 Millionen. Hat sich also richtig schön gelohnt. Wieder einmal ein großer Sieg für die Print-Medien, die den Schuss nicht gehört haben!